Die alltägliche Papier-Verschwendung

Deutschland ist mit Japan und USA Spitze, wenn es um Papierverbrauch geht. Schon jeder fünfte Baum wird weltweit für die Papierherstellung gefällt. Umwelt-Experten befürchten: geht das so weiter, werden kaum noch Urwälder übrigbleiben.

 

Verpackungen, Taschentücher, Pappbecher: haben wir Deutschen 1950 noch etwa 32kg pro Kopf an Papier verbraucht, sind es 2015 über 250kg. Tendenz steigend. Verbrauchern wird Papier sparen oft schwer gemacht: trotz „Keine Reklame“- Aufkleber am Briefkasten: durch Flyer, adressierte Werbung, Wurfpost – die Bürger bekommen viel unerwünschtes Papier ins Haus.

 

Familie Dreyer aus Bergedorf will im Alltag Papier sparen – dochin vielen Discountern oder Bürogeschäften gibt es nur wenig Recyclingpapier-Produkte, einen eigenen mitgebrachten Becher akzeptiert nicht jeder Kaffeeladen – und es ist auch aufwendig, Papier zu ersetzen. Wer möchte auf Toilettenpapier verzichten und nicht jeder benutzt ein Textil-Wischtuch. Die Dreyers zeigen uns, wie schwer es ist im Alltag Papierverbrauch zu verhindern.

 

Umwelt-Experten vom WWF und Robin Wood wollen Unternehmen und Hersteller auf die Probleme aufmerksam machen: mit aufwendigen Protestaktionen will Robin Wood z. B. die Flut an To-Go-Kaffeebechern aus Pappe verhindern. Millionenfach landen diese Becher nach 15 Minuten Gebrauch im Müll – eine riesige Verschwendung. Back-Werk und Co, Anbieter von Kaffee im Pappbecher, sollen zum Umdenken gezwungen werden. Der WWF testet regelmäßig Papierprodukte auf Spuren von verbotenem Tropenholz, um darauf aufmerksam zu machen, dass auch für Produkte, die in Deutschland erhältlich sind, Jahrhunderte alte Urwaldbäume in Massen gefällt werden. Immer wieder schaffen es die Umweltverbände so, Unternehmen zum Umdenken zu zwingen. Viele Kaffeeanbieter wollen nun über Pfandsysteme nachdenken, um Pappbecher zu verhindern, auf Druck von Robin Wood.

 

Allerdings herrscht eine große Nachfrage nach Papier. Zwar wird in Deutschland viel recycelt, es werden allerdings auch viele Frischfaser-Produkte verbraucht. Denn trotz Digitalisierung: die Nachfrage nach Papier steigt. 

Recyclingpapier hat sich in den Köpfen der Verbraucher immer noch nicht ganz durchgesetzt. Recyclingprodukte sind nicht teurer in der Herstellung, oft sind diese allerdings aber seltener in den Läden zu finden und teurer im Angebot. Zudem gibt es immer wieder Debatten um Papier-Umweltsiegel wie FSC. Zwar wird der Verbraucher mit dem Satz beruhigt, das Papier sei mit Holz auch „nachhaltig bewirtschafteten Wäldern“ produziert. Doch immer wieder zeigen Umweltverbände, werden auch in FSC-zertifizierten Waldgebieten große Flächen von erhaltungswürdigen Wäldern gerodet, so im Gebiet um Mora, nördlich von Stockholm. Die schwedische Regierung lässt dies zu, zum Vorteil der Papierindustrie.

 

Die Papier- und Holzindustrie argumentiert derweil mit Nachhaltigkeit und nachwachsenden Bäumen in Baumplantagen. Doch in den Augen von Umweltexperten reicht das nicht. Der industrielle Holzeinschlag ist für über 70% der globalen Urwaldgefährdung verantwortlich (in Nordamerika über 80%, in Russland sogar für 85%). Jährlich werden 16,1 Mio ha Urwald zerstört. 50 – 90% aller terrestrischen Tierarten leben im Wald. Täglich sterben 130 Pflanzen- und Tierarten aus. Hersteller prognostizieren den global steigenden Zellstoffbedarf in den nächsten 20 Jahren auf 150% für Papier.

 

Das Holz für deutsches Papier wird nur zu geringen Anteilen aus heimischen Wäldern gedeckt. Deutschland importiert viel Zellstoff bzw. Papierprodukte aus Finnland , dort sind laut Umweltexperten z. B. nur noch 3% Urwald erhalten, Russland, Schweden, USA und Kanada. Auch der Anteil aus tropischen Regionen wächst. So wird der Anteil aus Brasilien und Indonesien immer größer. Dort werden Urwälder gerodet um Eukalyptus-Plantagen für die Zellstoffindustrie aufzubauen.

Wie es gehen kann, zeigen die Visionäre von Decos, einer IT-Firma in den Niederlanden. Hier gibt es kein einziges Papier mehr, nur noch manchmal der Beutel vom Tee eines der 65 Mitarbeiter in der Küche. Decos ist eines der wenigen Unternehmen weltweit das komplett papierlos arbeitet: keine Papierkörbe, keine Drucker, keine Stifte, alles digital. Alle Partnerunternehmen wurden eingenordet, keine Briefe, Prospekte o. Ä. mehr zu schicken. Wer es doch tut, dem wird seine Post zurückgeschickt, oder sie wird gescannt. Selbst die Toiletten sind papierlos, durch ein Bidet-ähnliches System. Ergebnis: etwa 16 Bäume im Jahr sparen sie so ein. Nach fünf Jahren papierloser Arbeit schon ein kleines Wäldchen.